Historische und heutige Buchformen – Eine Übersicht

Ein Buch ist ein Buch, oder? Naja, es kommt darauf an, wie du es betrachtest und wie weit du bereit bist in Raum und Zeit zu reisen. Wenn du ein Buch dadurch definierst, dass es sich um eine Sammlung von Schriftstücken handelt, die in irgendeine Art und Weise zusammengefasst wurden, damit sie geschützt beisammen sind, ist das Buch, wie du es heute kennst, nur das Ende einer Jahrtausende währenden Entwicklung.
Zugegeben, diese Form ergibt bei allen heute verfügbaren Materialien und technischen Möglichkeiten am meisten Sinn. Entsprechend hat sie sich über all auf der Welt durchgesetzt und alle anderen historischen oder regionalen Buchformen weitestgehend verdrängt. Doch das heißt nicht, dass es keine anderen Buchformen gab und gibt.

Historische Buchformen aus der ganzen Welt

Die Schriftrolle

Ich denke dir kommt sofort ein Bild in den Kopf, wenn ich Schriftrolle sage. Entweder von Griechen, die epochale Mythen auf das Papyrus bannen, oder Ninja, die ewig lange Bannsprüche in einer exotischen Sprache vor sich hinmurmeln. Tatsächlich war die Schriftrolle eine sehr erfolgreiche Buchform, die sich schon in der Antike über Asien und den Mittelmeer-Raum verbreitet hatte.

Der Schreibgrund besteht aus einem langen Stück von Papier oder papierähnlichen Material, das auf ein oder zwei Stäbe gewickelt wird. Im Mittelmeer-Raum wurde zunächst Papyrus genommen, dass sich aufgrund seiner faserigen Beschaffenheit nicht falzen lässt ohne zu zerbrechen. Daher gab es keine Alternative zum Aufrollen, wenn man nicht überall einzelne Bogen herumliegen haben wollte. Später wurde statt Papyrus aus Pflanzenfasern Pergament aus Tierhäuten verwendet.

In Asien wurde viel früher Papier erfunden und für Schriftrollen benutzt. Das Papier wurde dabei schon in einen längliches Format geschöpft. Bei langen Schriftrollen wurden beliebig viele Stücke aneinandergeklebt, bis die gewünschte Länge erreicht war.

Der Text kann gelesen werden, indem das Material abgerollt wurde. Im Falle von zwei Stäben wurde das Papier auf der anderen Seite wieder aufgerollt, sodass die Schriftrolle nach dem Lesen wieder »zurückgespult« werden musste. Dabei stand der Text meisten nur auf der innen liegenden Seite des Blattes; zum einen um das Schriftstück zu schützen, zum anderen weil es sehr unhandlich ist die Rolle immer wieder zu wenden, um die Rückseite lesen zu können. Schriftrollen waren nicht nur Texten vorbehalten, sondern können auch mit bildlicher oder kalligrafischer Kunst versehen werden. Vor allem im Asiatischen Raum haben sie zu diesem Zweck bis heute als prägendes Kulturgut überlebt. In Europa haben Schriftrollen längst ausgedient, und auch wenn sie bis zum Mittelalter gebräuchlich waren, hat sich die heute vertraute Buchform viel früher durchgesetzt. Deswegen denken Europäer eher an schwere Bücher mit edelsteinbesetzten Holzdeckeln, wenn sie an ein mittelalterliches Buch denken.

Schriftrollen sind eine äußerst haltbare Buchform. Die ältesten erhaltenen Schriftrollen stammen aus dem 2. Jahrhundert v.Chr.

(Palm-)Blatt-Bücher

Die Buch Form der Blatt-Bücher ist wahrscheinlich die älteste Buchform, aber selten erhalten. Es ist genau das wonach es klingt. Möglichst große Blätter, zum Beispiel von Palmen, wurden geklopft, getrocknet und glatt geschliffen, bis sie sich gut beschreiben ließen. Niemand kann sagen, wie lange die Menschheit auf diese Weise Schriftstücke produziert hat. Sicher ist aber, dass sich in Indien eine kulturelle Technik daraus entwickelt hat, wobei die Schrift in das Blatt eingeritzt und mittels Russ sichtbar gemacht wurden. Diese Palm-Blatt-Bücher hatten ein schmales, längliches Format und Deckel aus den verschiedensten festen Materialien.

Gebunden wurde diese Art von Büchern mittels einer Schnur, die durch ein oder zwei Löcher in den Blättern und den Deckeln gezogen wurde. Dabei wurde der Knoten nicht eng an den Deckeln gesetzt, sondern in einer losen Schlaufe zusammengefasst. Bei einem Loch ließen sich die Blätter auffächern, bei zweien wurde der Deckel abgehoben und Blatt für Blatt an der Schnur entlanggeführt und aufeinander abgelegt.

Im Europäischen Raum war diese Buchform kaum bekannt.

Leporello-Bücher oder Falzbücher

Der Leporello bezeichnet einen Zick-Zack-Falz. Bücher, die auf diese Weise gebunden wurden, lösten wiederum das Problem eines langen Papierbogens wie bei der Schriftrolle. Vor allem in den asiatischen Ländern, da sich das dortige Papier gut falzen ließ, während Papyrus und Leder sich schlecht knicken lassen.

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Ein Leporello-Buch besteht aus einem Buchblock, im Zick-Zack gefalzt wurde, und Deckeln aus Pappe oder Holz, die den Buchblock schützen und stabilisieren. Es lässt sich bereits aufschlagen wie ein normales Buch und theoretisch lassen sich beide Seiten beschreiben und gestalten.


  • Anleitung Leporello

Lose-Blatt-Bücher

Gänzlich ungebunden bleibt eine Sammlung loser Blätter. Diese ist nur damit als zusammengehörig zu erkennen, dass spezielle Mappen für sie gefertigt wurden. Die Mappen wurden genau auf die Sammlung angepasst und reich verziert, sodass die Zugehörigkeit eindeutig ist.

Diese Form von Büchern wurde hauptsächlich an Orten verwendet, wo das Buch an einer Stelle verblieb und die Gefahr nicht groß war, dass einzelne Blätter entwendet werden könnten; zum Beispiel in Klöstern als Gebetsbücher.

Bücher mit Blockheftungen

Nun sind wir schon bei den Buchblock-Bindungen angelangt, die sich allerdings noch grundlegend von der heute gebräuchlichen Form unterscheiden. Denn der Zwirn wird nicht durch ein Bündel Blätter geführt, sondern durch den ganzen Buchblock und die Deckel auf der Vorderseite zur Rückseite. Dadurch entsteht zwangsläufig ein Steg, ein Teil des Buchblocks, der sich nicht aufschlagen lässt, weil er durch die Bindung fixiert ist.

Diese Form ist nicht gänzlich aus unserem Alltag verschwunden, denn Ordner oder Hefter bedienen sich dieser Art Papier beisammen zuhalten. Auch Speisekarten und Fotoalben sind manchmal auf diese Weise gefertigt, kurzum all mögliche Bücher, bei denen ein Austausch, das Hinzufügen oder Herausnehmen einzelner Blätter notwendig sein könnte.

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Historisch stammt diese Buchform wiederum aus Asien, mit China und Japan als Vorreitern. Die dünnen, durchscheinenden Papiere wurden gefalzt und an der offenen Seite durch eine Fadenheftung fixiert. Bei diesen Papieren ist das Aufschlagverhalten hervorragend, während sich die meisten europäischen Blockheftungen eher widerwillig öffnen lassen. Die Blätter werden mittels Gewebefälzel an einen Steg gehängt oder Plastikhüllen verwendet, um dieses Manko zu lindern.


Die Kodex-Form

Nun endlich sind wir bei der heute noch gebräuchlichsten Buchform angelangt. Der Kodex, ein schweres mittelalterliches Buch, ist ein Angehöriger dieser Buchform, aber nicht technisch ausschlaggebend. Die entscheidende Technik der Kodex-Form ist die Bindung der Lagen mittels eines Zwirns. Dieser wird durch den Falz eines oder mehrerer mittig gefalzten Bogen gezogen und verbindet mehrere Lagen auf diese Weise miteinander. Der dadurch resultierende Buchblock ist die Grundlage der Kodexform und hat sich im Laufe von zweieinhalb Jahrtausenden in die verschiedensten Richtungen entwickelt. Gleichzeitig entstanden vielfältige Weisen einen Kodex-Buchblock zu Heften, die den Umständen und Ansprüchen ihrer Zeit entsprachen.

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Jedes heutige fadengeheftete Buch, das du im Laden kaufen kannst, ist in der Kodex-Form gefertigt. 


Die Koptische Heftung mit angehängten Deckeln ist die älteste Kodex-Form, die uns bekannt ist. Bei ihr wird der Rücken nicht vom Einband umschlossen, wodurch die Heftung sichtbar bleibt und das Aufschlagverhalten großartig ist.  


Es gibt jedoch zwei weitere Formen, die der Kodex-Form sehr ähnlich sind: Sie haben sich aus ihr entwickelt und erfreuen sich heute noch größerer Beliebtheit, als die ursprüngliche Form:

Unterformen der Kodex-Form

Heft

Zunächst sei mal das Heft genannt. Es entspricht nicht der zuvor genannten Definition, da ein Heft für sich allein steht, aber das Merkmal der Bindung durch den Falz ist zutreffend. Hefte begegnen dir heute im Alltag noch überall, auch wenn der Zwirn der Schulheftheftung gänzlich durch die Heftung mit Drahtklammern verdrängt wurde. Das tut der Form an sich jedoch keinen Abbruch, da die Zugehörigkeit zur Form nicht durch das Material, sondern durch die Ausführung bestimmt wird.

Hefte, die nicht geklammert oder geheftet sind, sind nach buchbinderischer Sicht keine Hefte, sondern einfach nur dünne Broschuren, die klebegebunden wurden.

Der klebegebundene Kodex?

Bei weitem am verbreitetsten ist der klebegebundene Buchblock. Sei es nun als Zeitschrift, Taschenbuch oder Hardcover. Weltweit hat diese Buchform alle historischen Besonderheiten verdrängt, die sich mancherorts nur noch in der Umschlag- oder Einbandgestaltung widerspiegeln.

Doch nach der allgemeinen Definition ist eine Klebebindung keine Kodexform mehr, denn die Seiten werden zwar gefalzt und als Lagen zusammengetragen, doch dann wird der Falz am Rücken abgefräst oder aufgeschnitten und statt einer Heftung, wird eine Bindung mit Klebstoff ausgeführt. Damit verschwinden die prägenden Merkmale und doch entspricht die Klebebindung vor und nach diesem Schritt der Kodexform. Sie ist ein Kind dieser Form, erzeugt aus den Möglichkeiten der Moderne. Die Leime, die dafür nötig sind, dass eine Klebebindung nicht beim Aufschlagen bricht, sind ein Jahrhundert alt. Erst seit wenigen Jahrzehnten sind sie so weit entwickelt, das ein klebegebundener Buchblock das Potenzial hat, mehr als ein paar Jahrzehnte zu überdauern. Denn im Vergleich mit Jahrtausende alten Schriftrollen oder Codices ist die Klebebindung noch ein Kleinkind und hat sich gegen die Zeit noch nicht bewährt.

Für diese Unterart des Codex scheint sich noch keine allgemein gebräuchlicher Begriff etabliert zu haben. Ich würde vorschlagen diese Form  *Bücher mit geleimten Buchblock*  zu nennen, womit eine ausschließliche Leimung am Buchblock gemeint ist, und nicht eine zusätzliche Ableimung zur Heftung.

Auf diese Weise können seltenere Bindungen, wie die Kinderbuch-Bindung, oder Bücher, die beabsichtigt mit einer Blockleimung versehen wurden, ebenfalls unter diese Form einsortiert werden; genauso alles andere was in dieser Richtung in Zukunft noch erfunden werden möge.


Nun sind wir im Hier und Heute angekommen und in den letzten Jahren hat sich eine neue Buchform entwickelt, die sich am meisten von allem unterscheidet, was zuvor war.

Das Digitale Buch

Das Digitale Buch ist eine Buchform, die fast gänzlich ohne Materie auskommt und alleine aus diesem Grund schon gänzlich uninteressant für das Handwerk des Buches erscheint. Gelesen werden die Texte dieser Bücher auf digitalen Endgeräten, sein es nun PCs, Laptops, Smartphones oder speziell fürs Lesen entwickelte E-Book-Reader. So oder so bleibt für den Buchbinder oder die Buchbinderin wenig zu tun, außer dem Gerät vielleicht eine schöne Hülle zu verpassen, die einem alten Buch nachempfunden ist.

Und trotzdem lässt sich an dieser Entwicklung auch Positives entdecken. So rückt die Sonderausgabe mit schöner Gestaltung von Textblock und Einband wieder mehr in den Fokus der Aufmerksamkeit. Zum einen, weil es etwas Besonderes wird, sich ein physisches Buch zu kaufen, zum Anderen, weil die Sammellust der Büchermenschen in Punkto Qualität zunimmt. Dort öffnet sich ein Spalt der Handwerksbuchbindern und -buchbinderinnen die Möglichkeit eröffnet aus den Vollen zu schöpfen, etwas aus den Büchern zu machen und sie einem immer größer werdenden Publikum zu präsentieren. Denn Bibliophilie scheint massentauglich zu werden.

Ich möchte am liebsten mit Ausführungen fortfahren, wie du aus einem digitalen Buch zu der benötigten Grundlage für eine Buch in Codexform kommst. Doch mit diesem Text soll es für heute genug sein. Diesem Thema widmen wir uns an einem anderen Tag.

Moin, ich bin Franja

Ich bin buchverliebt seit Kindesbeinen und da fiel es mir nicht schwer mein Leben den Büchern zu widmen. 

Ich schreibe selber und binde Bücher, bis jetzt – weiter Buchkünste kommen bestimmt noch hinzu.


Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht allen Buchbegeisterten die Kunst und das Handwerk rund ums Buch zu zeigen und zu lehren.

Ich gebe Workshops und leite den Zirkel der Selberbuchbinder, einen Online-Kurs mit Livetreffen.

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